"Lebendig, lebendig, lebendig"

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Veröffentlicht von Jürgen Lessat in Politik · 5 Februar 2021
Tags: StuttgartOBWahl
Die "Grünen-Hochburg" Stuttgart hat wieder einen schwarzen Oberbürgermeister: Wegen anhängiger Klagen beginnt der CDU-Mann Frank Nopper den Job zunächst als Amtsverweser.

Die Schlagzeilen ähnelten sich. "Die CDU erobert in der Grünen-Hochburg Stuttgart das Rathaus zurück", titelte die Neue Züricher Zeitung nach dem zweiten OB-Wahl-Urnengang vergangenen November. "CDU sticht in Grünen-Hochburg Stuttgart", vermeldete der Berliner Tagesspiegel und sah den Erfolg des Konservativen als "deutliche Warnung an Kretschmanns Ökotruppe".

Dabei hatte der 59-jährige CDU-Kandidat Frank Nopper, bis dato Oberbürgermeister im benachbarten Provinzstädtchen Backnang, nur mit gerade mal 42,3 Prozent der Stimmen respektive 5,3 Prozentpunkten Vorsprung gegenüber dem Zweitplatzierten gewonnen. Weil ein Konkurrent das Blatt überreizt hatte. Stadtrat Hannes Rockenbauch vom Splitterbündnis Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei hatte sein Ego nicht wahltaktischen Überlegungen unterordnen können. Obwohl der 40-Jährige mit mageren 14 Prozent im ersten Urnengang auf Platz vier gelandet war, warf der langjährige Aktiv
ist gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 seinen Hut beim entscheidenden zweiten Wahlgang erneut in den Ring - und vermasselte damit dem politischen Newcomer und unabhängigen Kandidaten Marian Schreier (mit 15 Prozent Stimmenanteil Dritter im ersten Wahlgang) die Siegchancen.

Falsch gehandelt: Im Netz wirbt der Wahlverlierer Hannes Rockenbauch bis heute um Stimmen (Screenshot www.rockenbauch.de)
Falsch gehandelt: Im Netz wirbt der Wahlverlierer Hannes Rockenbauch bis heute um Stimmen (Screenshot www.rockenbauch.de)
Der 30-jährige Bürgermeister im badischen Tengen galt als aussichtsreichster Widersacher Noppers, nachdem die Wähler den drögen Wahlkampf der Grünen-Kandidatin Veronika Kienzle im ersten Wahlgang mit 17,2 Prozent Stimmenanteil abgestraft hatten. Kienzle hatte sich daraufhin aus dem Rennen zurückgezogen. Schreier bestand auf "Weitermachen" im 2. Wahlgang  - und errang mit 36,9 Prozent Stimmenanteil mehr als einen Achtungserfolg. Rockenbauch verbesserte seinen Stimmenanteil jedoch nur geringfügig auf 17,8 Prozent. Die Stimmen der Anhänger von beiden Kandidaten zusammengenommen hätten somit bei weitem genügt, um einen konservativen Oberbürgemeister in der Grünen-Hochburg für die nächsten acht Jahre zu verhindern.

Das waren noch Zeiten: CDU-Mitglied Frank Nopper (re.) als Backnagner OB im Gespräch mit dem Bürger (Silvesterlauf 2020, Bild Lessat)
Das waren noch Zeiten: CDU-Mann Frank Nopper (re.) als Backnanger OB im Gespräch mit dem Bürger (Silvesterlauf 2020, Bild Lessat)
Hätte, hätte Fahrradkette. Am gestrigen Donnerstag (4. Februar 2021) wurde Wahlsieger Frank Nopper mit rund vierwöchiger Verzögerung in sein neues Amt eingeführt. Der 60-köpfige Gemeinderat wählte ihn zwar einstimmig zum Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart, jedoch kann er seinen Job vorläufig nur als Amtsverweser ausüben. Nopper hat damit alle Rechte und Pflichten eines Oberbürgermeisters mit Ausnahme des Stimmrechts im Gemeinderat. Der Start mit angezogener Handbremse geht auf zwei Klagen zurück, die gegen die Oberbürgermeisterwahl beim Verwaltungsgericht anhängig sind.

Nach POlitoGO.de-Informationen wurden beide Klagen von unterlegenen Mitbewerbern eingereicht. Als ein Kläger tritt der in Achern lebenden Einzelkandidat Marco Völker ("Nopper-Stopper") auf. Völker hatte 0,2 Prozent der Stimmen im zweiten Wahlgang erhalten.

Laut Verwaltungsgericht liegt in einem der Verfahren noch keine Klagebegründung vor. Allerdings kann der Kläger im Klageverfahren keine neuen Gründe mehr vorbringen. Es können nur die bislang geltend gemachten Gründe vertieft werden, so das Gericht. Im vorangegangenen Einspruchsverfahren hatte der Kläger im Wesentlichen die Durchführung der Wahl während der Pandemie trotz der geltenden Kontaktbeschränkungen beanstandet. Aus seiner Sicht war die Wahl durch eine "massive Wahlbeeinflussung" durch Stuttgarter Leitmedien, den SWR, die Landeszentrale für politische Bildung und die VHS wegen "einseitiger Berichterstattung" nicht fair. Zudem begründet er die Klage mit den "großen finanziellen Mitteln der Kandidaten, die von Parteien unterstützt" wurden. Als weiteren Klagegrund sieht er die Auslosung der Namen auf den Stimmzetteln

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In dem anderen Verfahren macht der Kläger im Wesentlichen Verletzungen der Grundrechte, nämlich des Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) des Demokratieprinzip (Art. 21 GG) und des Homogenitätsgebot (Art. 28 GG) geltend. Er bemängelt insbesondere die Bevorzugung der Bewerber wegen ihrer Mitgliedschaft in einer Partei oder Wählervereinigung durch die Medien und andere Einrichtungen und wirft der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg die Verletzung ihrer Neutralitätspflicht vor. Die Bewerber seien auf eine mediale Aufmerksamkeit angewiesen. Auch hier stehen im Hinblick auf die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Neutralitätspflicht insbesondere die Podiumsdiskussion der Architektenkammer vom 14. Oktober 2020 mit sechs ausgewählten Kandidaten und die Podiumsdiskussion des SWR, den Stuttgarter Zeitungen, der VHS und der Landeszentrale für politische Bildung vom 26. Oktober 2020 mit – letztlich – sieben Kandidaten im Fokus.

Wann das Verwaltungsgericht über die Klagen entscheiden wird, ist noch nicht absehbar. Oberbürgermeister Nopper kündigte derweil in einem Radiointerview an, was für ihn auch als Amtsverweser oberste Priorität hat. Nämlich, dass "wir alle mal einigermaßen ungeschoren aus Corona rauskommen." Dazu wolle er sobald wie möglich einen Corona-Gipfel einberufen mit dem Ziel, "Stuttgart wieder zu einer lebendigen Stadt zu machen, mit lebendiger Innenstadt, lebendigen Stadtbezirken, lebendiger Gastronomie, lebendigem Einzelhandel und einem lebendigen Tag- wie auch lebendigem Nachtleben".

Seit Pandemiebeginn sind bislang 267 Stuttgarter an oder mit dem Virus gestorben. 17749 Infektionen wurden bestätigt. (Stand 5. Februar 2021)

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