Ungesunder Gruß aus der Wüste

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Ungesunder Gruß aus der Wüste

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Veröffentlicht von Jürgen Lessat in Klimakrise · 26 Februar 2021
Tags: Saharastaub
Saharastaub lässt die Feinstaubwerte hierzulande dramatisch ansteigen. Das Naturschauspiel wird zum Problem für Athmatiker.

Seit Tagen schon bläst ein starker südlicher Windfön massenhaft Staub in höheren Luftschichten aus der Sahara nach Mitteleuropa. Das Naturschauspiel zeigt sich deutlich am Himmel über Deutschland. Tagsüber trübt ihn der feine Wüstensand gelblich bis rötlich ein, um die Sonne legt sich ein milchiger Schleier. Dagegen wirken Morgen- und Abendrot viel farbintensiver.

Doch der Gruß aus der Wüste hat auch bedenkliche Wirkungen. Gemeint ist damit nicht die unschönen Staubschichten auf frisch gewaschenen Autos. Vielmehr erhöhen die kleinen Sandpartikel auch die Feinstaubbelastung der Atemluft hierzulande, was gesundheitliche Effekte haben kann. In vielen Regionen überschreitet die Feinstaubkonzentration inzwischen den Grenzwert von 50 Mikrogramm (
µm) pro Kubikmeter Luft.

So auch an den Luftmessstellen in Stuttgart. Am innerstädtischen Neckartor stieg der gleitende 24-Stunden-Mittelwert am heutigen Freitagmorgen auf einen rekordverdächtigen Wert von 137 Mikrogramm. Auch die anderen Messstationen im Stadtgebiet registrieren seit Tagen eine steigende Belastung.
Derartige Konzentrationen wurden bislang nur um Jahreswechsel gemessen, verursacht durch das Abbrennen von Silvesterfeuerwerk. Landesweit ist der Kurzzeit-Luftqualitätsindex (LQI) an den meisten Stationsorten auf die niedrigste Stufe "sehr schlecht" gesunken. Der LQI wird auf Grundlage von Messwerten für die Luftschadstoffe Stickstoffdioxid (NO2), Ozon (O3) sowie Partikel PM10 und PM2,5 (Feinstaub) gebildet. Vor zehn Tagen registrierten die Messstellen bereits erhöhte Feinstaubkonzentrationen. Damals zog ebenfalls eine mächtige Staubwolke aus der Sahara über Südwestdeutschland.

Feinstaubwerte gehen in Stuttgart dank Saharastaub durch die Decke. Quelle LUBW
Feinstaubwerte schießen in Stuttgart mit Saharastaub durch die Decke. Quelle LUBW
Laut Deutschem Wetterdienst besteht Saharastaub, abhängig von der Quellregion, zu etwa 90 Prozent aus Aluminosilikaten (z.B. Ton, Kaolinit, Montmorillonit), Eisenoxiden (Hämatit, Geothit) und Quarz (Sokolik and Toon, 1999). Die verbleibenden rund 10 Prozent sind hauptsächlich Kalzit und Gips. Der Staubtransport in die Atmosphäre hängt von der Korngrößenverteilung an der Oberfläche, der Oberflächen-Rauhigkeit und –feuchtigkeit ab.

Damit der
Mineralstaub aus der Sahara nach Europa verfrachtet wird, sind eine Mindest-Windgeschwindigkeit, oberflächennahe Turbulenzen und Windböen erforderlich, die die Partikel in größere Höhen tragen, wo sie über Tage und Wochen verbleiben können. Durch starke Höhenwinde können sie über weite Entfernungen von mehreren tausend Kilometern transportiert werden. In fern-transportierten Staubwolken liegt der typische Partikeldurchmesser bei 0.1 – 10 µm. Trockene Deposition (Sedimentation, Impaktion) und feuchte Deposition (Auswaschung durch Niederschlag) sind die wesentlichen Verlustmechanismen für atmosphärische Partikel.

Alarmstufe rot: Luftqualitätsindex "sehr schlecht", Stand 26.02.2021. Quelle: LUBW
Alarmstufe rot: Luftqualitätsindex "sehr schlecht", Stand 26.02.2021. Quelle: LUBW
Zusammensetzung und Größe von Mineralstaub beeinflussen die Effekte auf die menschliche Gesundheit. Feinstaub wird in unterschiedliche Größenfraktionen seiner Partikel eingeteilt. PM10 hat einen maximalen Durchmesser von 10 µm und kann beim Menschen in die Nasenhöhle eindringen. PM2,5 hat einen maximalen Durchmesser von 2,5 µm und kann bis in die Bronchien und Lungenbläschen vordringen. Ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von <0,1 µm können bis ins Lungengewebe und sogar in den Blutkreislauf gelangen.

Je nach Größe und  Eindringtiefe der Teilchen sind die gesundheitlichen Wirkungen von Feinstaub laut Umweltbundesamt verschieden. Sie reichen von Schleimhautreizungen und lokalen Entzündungen in der Luftröhre und den Bronchien oder den Lungenalveolen bis zu verstärkter Plaquebildung in den Blutgefäßen, einer erhöhten Thromboseneigung oder Veränderungen der Regulierungsfunktion des vegetativen Nervensystems (Herzfrequenzvariabilität).

Auf den
Partikeloberflächen des Saharastaubs können auch robuste und langlebige Krankheitskeime weit transportiert werden. In der Fachliteratur finden sich Hinweise, wonach es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Ausbrüchen bakterieller Hirnhautentzündung in der Subsahara und dem häufigeren Auftreten der Erkrankung in der Sahelzone kurz darauf gibt. Andererseits profitieren der Südamerikanische tropische Regenwald und die Karibischen Inseln von der düngenden Wirkung des Mineralstaubs, der sonst sehr viel nährstoffärmer wäre.


Schön, aber auch ungesund: Sonnenuntergang über der Sahara. Pardon, Stuttgart. Bildrechte Politogo.de
Schön, aber auch ungesund: Sonnenuntergang über der Sahara. Pardon, Stuttgart. Bildrechte Politogo.de
Wie lange die Feinstaubwerte hierzulande noch auf dem hohen Niveau verharren, hängt vom Wettergeschehen ab. Niederschläge waschen den Staub am schnellsten aus der Luft aus - aufgrund ihrer Einfärbung werden diese auch als Blutregen bezeichnet.  

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