Die Heizlüge der Liberalen

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Die Heizlüge der Liberalen

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Veröffentlicht von Jürgen Lessat in Politik · 12 Mai 2023
Tags: WärmepumpeHabeckHeizungstauschFDPSchäffler
Mit Verve kämpft die FDP im Duett mit „Bild“ gegen die Wärmepumpen des grünen Klimaministers Robert Habeck. Was Liberale und Boulevard-Redakteure verschweigen: Wer weiter mit Öl oder Gas heizt, wird bald finanziell bluten, da der EU-Emissionshandel ab 2027 auf fossile Heizbrennstoffe ausgedehnt wird.

Schwäbisch Gmünd liegt rund 50 Kilometer östlich der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Zu den berühmten Söhnen der Stadt mit ihren 61 000 Einwohner zählt Emil Molt. Der Anthroposoph und Gründer der „Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik“ eröffnete zusammen mit Rudolf Steiner im Jahr 1919 in Stuttgart die erste „Waldorfschule“, als Betriebsschule für die Kinder seiner Arbeiter.

Die Chancen stehen gut, dass man bald auch Frank Schäffler zu den Promis geboren in Gmünd zählt. Denn der FDP-Bundestagsabgeordnete, der zwei Tage vor Heilig Abend 1968 an den Ufern der Rems das Licht der Welt erblickte, tut derzeit alles, um unsterblich zu werden. Als libertärer Robin Hood, der unerschrocken für entrechtete Heizungsbesitzer kämpft – aber letztlich ihnen und dem Klimaschutz einen Bärendienst erweist.

Schäffler, bislang eher als Hinterbänkler im Bundestag verortet, gilt als Wortführer gegen das Gebäudeenergiegesetz (GEG) von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne). Wie vor kurzem auf dem 74. Ordentlichen Bundesparteitag der FDP, wo der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Ostwestfalen-Lippe einen „Dringlichkeitsantrag“ dazu einbrachte.
Frank Schäffler Bild: Olaf Kosinsky Lizenz: CC BA-YA 3.0-de

Das im Gesetz verankerte Verbot von neuen fossilen Öl- und Gasheizungen ab 2024 sei „ökonomischer Unsinn“ und „technisch in weiten Teilen nicht umsetzbar“, begründete er den Antrag. „Über 80 Prozent der Menschen lehnen die Pläne von Herrn Habeck ab“, rief er unter tosendem Beifall der Delegierten. Sie seien „ein Angriff auf das Eigentum der Menschen in diesem Land“, was ihm Auftritte in TV-Nachrichten bescherte. Am Ende stimmten die Liberalen fast einstimmig für Schäfflers Antrag. „Für die Ampel bedeutet das vor allem eines: neuen Ärger. Denn der Beschluss lässt keine Zweifel daran, dass die FDP im parlamentarischen Verfahren das bereits vom Kabinett beschlossene GEG massiv verändern will“, kommentierte der „Tagesspiegel“.

Konservative Organe feierten dagegen Beschluss wie Einbringer. Seit Wochen agitieren die Springer-Medien „BILD“ und „WELT“ gegen „Habecks Heiz-Hammer“, immer wieder mit Schäffler und seiner Partei als Kronzeugen. „FDP-Geheimplan gegen Habecks Heiz-Hammer“, „Nach Berechnungen der FDP: Heiz-Hammer wird fünfmal teurer als Habeck zugibt“, sind Beispiele, wie „Bild“ seit Wochen Partei- und Politpropaganda unter redaktionellem Deckmantel betreibt. Wenige Stunden vor dem Parteitag der Liberalen prophezeite die Redaktion eine Schäfflersche Apokalypse: „Heiz-Hammer ist Atombombe für unser Land!“, lautete die Schlagzeile am 19. April 2023. Seit bekannt ist, dass Springer-Verlagschef Mathias Döpfner den Klimawandel gut und die Liberalen super findet, wundert dies kaum noch.

Die Heiz-Hammer-Kampagne von Partei und Boulevard könnte allerdings im Fiasko für Haus- und Wohnungseigentümer enden, die sich vor dem Stichtag noch schnell eine neue Gastherme installieren lassen wollen. Denn während Schäffler auf dem Parteitag den Kampf gegen Habecks Gesetzesvorhaben anheizte, fielen nahezu zeitgleich in Brüssel die finalen Entscheidungen zur Ausweitung des CO2-Emmissionshandels. ETS II, so das Kürzel, soll die Klimaziele der EU für 2030 verwirklichen helfen, indem für jede emittierte Tonne des Klimagases Kohlendioxid mit einem CO2-Zertifikat zu „verrechnen“ ist.

Die neue Emissionshandelsrichtlinie (EHRL) schließt ab 2027 auch Verkehr und Gebäude in den Emissionshandel ein. „Anders als bei Kraftwerken und Industrieanlagen nehmen nicht die eigentlichen Emittenten, sondern die Lieferanten von Brenn- und Treibstoffen teil und führen jedes Jahr auf das von ihnen gelieferte Benzin, Erdgas, Heizöl, Diesel etc. entfallende CO2-Zertifikate an die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) ab“, beschreibt Fachanwältin Miriam Vollmer von der Berliner Kanzlei re| Rechtsanwälte das Procedere. Dies ist nichts grundsätzlich Neues. In Deutschland gibt es seit 2001 mit dem Brennstoff-Emissionshandelsgesetz (BEHG) ein vergleichbares System. Allerdings sind im BEHG bisher keine Mengenbegrenzungen für die Zertifikate vorgesehen. Auch sind deren Preise gesetzlich festgelegt auf derzeit 30 Euro pro Tonne CO2.

Mit Inkrafttreten des ETS II wird sich das ändern: Die Zertifikate für Gebäude und Verkehr sind begrenzt und ihre Zahl sinkt mit jedem Jahr. Zunächst um 5,1 Prozent, dann ab 2028 um 5,38 Prozent gegenüber 2025. Die Nachfrage steuert also den Preis. „Mit anderen Worten: Je mehr Europäer bis zum Startjahr 2027 auf Wärmepumpen, E‑Autos oder Fahrräder umsteigen, um so entspannter wird der Preis“, so Vollmer.

Absehbar ist, dass der CO2-Ausstoß beim Heizen künftig immer teurer wird. Die EU strebt einen Preis von 45 Euro pro Tonne CO2 an. Steigt er höher, will die EU-Kommission weitere Zertifikate auf den Markt bringen. Doch anders als im aktuellen deutschen System ist die verfügbare Menge an Zusatzzertifikaten in der sogenannte Marktstabilitätsreserve (MSR) begrenzt. „Ist die MSR erschöpft, hat die Kommission ihr Pulver verschossen und kann der Steigerung der Preise nur noch zusehen, weitere Maßnahmen sind nicht vorgesehen“, sagt Vollmer. Insofern hänge es von der Schnelligkeit ab, in der Europa sich fossilfreien Technologien zuwendet, wie teuer ab 2027 die Tankfüllung oder das Heizgas werden. „Das bedeutet: Je zögerlicher eingespart wird, umso höher fallen die Preise aus, und umso steiler ist in den Jahren ab 2027 der weitere Anstieg“, erläutert die Juristin.

Vergessen wird dabei zudem: Der Einstieg von Verkehr und Gebäude in den Emissionshandel in 2027 ist kein stabiler Zustand. Von 2027 bis 2050 sollen die fossilen Emissionen der EU auf Nettonull sinken. „Fossile Heizungen, Verbrenner, entsprechende Prozesse im Gewerbe, werden also programmiert jedes Jahr teurer“, sagt Vollmer. Zudem drohen viel höhere Netzkosten als bislang. Der Grund: Weil es immer mehr Gasverbraucher auf andere, nicht leitungsgebundene Energieträger wie Wärmepumpen umsteigen, verteilen sich die Betriebskosten von Gasleitungen und Pumpwerken auf immer weniger Schultern. „Wer noch über eine letzte Gasheizung, einen letzten Verbrenner nachdenkt, sollte diese Dynamik in seine Planungen einbeziehen“, rät sie.

Auf staatliche Maßnahmen wie etwa der von der FDP durchgesetzte Tankrabatt im vergangenen Jahr, um steigende Preise abzufedern, sollte man laut Vollmer nicht hoffen. Europäische Regelungen durch gegenläufige Regelungen auszuhebeln, sind unzulässig und können durch Gerichte unterbunden werden. „Die Hoffnung oder Befürchtung, dem CO2-Preis würden durch direkte Zuschüsse die Zähne gezogen, dürfte insofern spätestens in Luxemburg scheitern“, betont die Juristin.
Mit ihrer aktuellen Kampagne gegen Wärmepumpen und Habecks „Heiz-Hammer“ könnten Schäffler und Bild somit das genaue Gegenteil von dem erreichen, was sie stets vorgeben: nämlich Millionen Hausbesitzer durch Festhalten an fossilen Gasheizungen in Zukunft in finanzielle Existenznöte zu bringen -  statt die Wärmewende mit effizienten und klimafreundlichen Heizsystemen zu befördern.

Wie populistisch und offenbar ohne Sachkenntnis FDP das Thema ausschlachtet, zeigt sich exemplarisch auf Schäfflers Twitter-Account. Außer Habeck-Schmäh und Wärmepumpen-Untergangsfantasien findet sich kein einziger Tweet zu realistischen Alternativen. Auch Schäfflers Parteitagsbeschluss bleibt im Ungefähren. So sollen die Klimaschutzziele im Gebäudesektor „primär über den Emissionshandel mit Pro-Kopf-Klimageld“ erreicht werden. Daneben möchte er „innovative Gebäudetechnik durch finanzielle Anreize“ sowie den „Ausbau von Wärmenetzen in den Kommunen“ gefördert sehen. Grundsätzlich sei Eigentum zu respektieren. Am konkretesten heißt es, dass die kommunale Wärmeplanung und ein „Gesamtplan für das breitfächige Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft“ jetzt schnell entwickelt werden müssten. Wie das umzusetzen ist, verrät das Papier nicht.

Damit macht es sich die FDP einfach, auch indem sie wie beim Verbrenner-Aus auf Technologieoffenheit besteht. Geht es nach ihr, sollen fossile Erdgasheizungen auch nach dem 1. Januar 2024 eingebaut werden dürfen, vorausgesetzt sie sind „H2-Ready“, damit sie später mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden können. Dabei steht in den Sternen, wann diese Technik und ausreichend erneuerbarer Wasserstoff zu erschwinglichen Preisen für Millionen Gasanschlüsse hierzulande verfügbar ist. „Bislang bestehen nur experimentelle Möglichkeiten, mit Wasserstoff zu heizen“, schreibt der Heizungshersteller Buderus. Hierzu zählten etwa spezielle Gasthermen zur Direktverbrennung von Wasserstoff oder Katalysatoren, die sich der Reaktion von Knallgas (Mischgas aus Wasser- und Sauerstoff) mit anderen Stoffen bedienen, etwa Platin. „Beide Methoden sind jedoch bislang nicht sicher, effizient oder wirtschaftlich genug für den häuslichen Einsatz“, so das Unternehmen, das zur Stuttgarter Robert Bosch GmbH gehört.

Lediglich Wasserstoff-Heizungen, bei denen Brennstoffzellen den Wasserstoff selbst erzeugen, sind bislang praxistauglich. Die meisten der halbe Million Geräte hierzulande arbeiten allerdings mit Erdgas, Ökogas oder Flüssiggas. Um klimaneutral zu sein, müssten der Wasserstoff durch Elektrolyse in der Regel mit erneuerbarem Solar- oder Windstrom hergestellt werden. Nach einer Studie an der HAW Hamburg ist die Herstellung des „grünen“ Wasserstoffs zu Heizzwecken jedoch extrem ineffizient. Wiederum weisen Wärmepumpen eine deutlich bessere Energiebilanz auf: sie arbeiten rund fünfeinhalb Mal effizienter.

Der Autor hat Frank Schäffler angefragt, warum er in der „Heiz-Hammer“-Diskussion stets verschweigt, dass der Betrieb von Gasheizungen ab 2027 durch das neue Emissionshandelssystem immer unwirtschaftlicher wird. Der FDP-Abgeordnete blieb eine Antwort schuldig.
Bildnachweis oben: Pixabay
unten: Olaf Kosinsky (kosinsky.eu) Lizenz: CC BY-SA 3.0-de



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